RAT- SCHLÄGE

Gestern hab ich mit einer lieben Freundin telefoniert. Auch sie hat Lupus, seit vielen Jahren und mit einer schweren Organbeteiligung. Viele Therapieversuche liegen bereits hinter ihr und aufgrund eines Ergusses am Herzen soll sie in den kommenden Tagen nun ihre erste Infusion Rituximab erhalten. Wir haben uns eine ganze Weile unterhalten und ganz zum Schluss berichtete sie mir davon, eine Freundin habe ihr zu verstehen gegeben, sie solle nun doch mal endlich mal  ihr Leben ändern. Der „ Wolf“ sei nichts anderes als Ausdruck einer falschen Lebensführung.

BOAMMM!!! Das hat gesessen.

Nicht nur bei ihr, auch bei mir. Ich konnte den Schmerz, den sie angesichts dieser Aussage empfunden hat, geradezu im eigenen Herzen fühlen…“So, nun bin ich auch noch selbst Schuld, Schuld daran , dass mir dieser ganze Wahnsinn widerfährt. Schuld daran, dass ich an einer bislang unheilbaren und schwer zu behandelnden Erkrankung leide, Schuld daran ein Leben auf dem Abstellgleis führen zu müssen, Schuld daran……und so weiter und so fort!!!!!

Wow…wie weh das tut!!!! Uns beiden, noch immer. Und das nach so langer Zeit des „Krank-Seins“ und obwohl wir schon so oft solche und ähnliche Aussagen zu hören bekommen haben. Ja, obwohl wir selbst natürlich ganz genau wissen, dass solche Aussagen auch nicht einmal annähernd etwas mit der Realität unserer Erkrankung zu tun haben.

Ja, ich weiß…hinter solchen Äußerungen liegt oftmals die reine Hilflosigkeit verborgen. Das nicht ertragen können, dass der geliebte Mensch leidet, die Angst vor der Erkrankung und vieles, vieles mehr…aber bitte, ihr die ihr da draußen, die  ihr gesund seid. Auch wenn ich verstehen kann, dass unsere Erkrankung für Außenstehende oftmals kaum zu ertragen ist. Bitte, erspart uns solche Schuldzuweisungen.

Bitte sucht nach Wegen, nach Möglichkeiten Eure Hilflosigkeit zum Ausdruck zu bringen. Sagt uns wie weh es Euch tut nicht helfen zu können. Von mir aus sagt uns auch, dass ihr die Situation nicht ertragen könnt, erzählt uns von Eurer Angst ….Aber bitte,  gebt uns keine Verantwortung an Stellen , an denen wir keine haben.

Denn alles was ihr damit erreicht ist Distanz. Entfremdung zwischen uns und Euch… Distanz zwischen Euch und den Menschen die ihr liebt…und dies macht uns alle einsam. Und Einsamkeit, die tut doch niemandem gut, nicht wahr?!

 

16 Comments on “RAT- SCHLÄGE

    • Ja, liebe Hedwig…so ging es mir gestern auch..mir ist zunächst gar nichts wirklich Tröstendes eingefallen, so sprachlos war ich….Im Grunde weiß ich dass hinter solchen Aussagen der hilflose Versuch zu helfen steckt…aber es tut trotzdem so unglaublich weh..Ich hoffe sehr, dass es meiner Freundin und ihrer Bekannten gelingt, diese Geschichte zu klären.Damit die Beziehung durch eine solche Aussage nicht zerstört wird…Dir alles Liebe 💕 Daniela

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      • Ich sage in vergleichbaren Situationen tatsächlich oft, dass ich nichts dazu sagen kann, biete aber im gleichen Atemzug Gesprächsbereitschaft und Hilfe an. Ich wünsche Dir aus ganzem Herzen wirklich alles Gute, liebe Daniela. Von Lupus hatte ich nie zuvor gehört, bin durch Zufall auf Caros Buch und damit auf den Lupus gestoßen. Schöne Scheiße, kann ich da nur sagen!

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    • Ich Danke Dir , liebe Hedwig…..das schlichte Zuhören, das wäre es in schlimmen Zeiten gewesen, was ich gebraucht hätte. Helfen kann man von außen ja oftmals tatsächlich nicht…aber alleine die Tatsache, dass da jemand ist, der sich ernsthaft interessiert wäre schon Gold wert gewesen. Toll, dass es Menschen wie Dich gibt. Was den Lupus anbelangt, ja da gibt es noch ganz viel Aufklärungsbedarf, wie auch bei ganz vielen anderen seltenen Erkrankungen. Wir arbeiten dran, sind gerade dabei eine Website zu erstellen. Aber manchmal geht es aus gesundheitlichen Gründen leider nur sehr schleppend voran. Aber sobald es so weit ist stelle ich sie vor. Wir sind dankbar für jeden der bei der Verbreitung hilft. Alles Liebe Dir und bis bald, Daniela

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  1. „Falsche Lebensführung“ – was für eine Anmaßung. Es gibt kein „richtig“ und kein „falsch“, ebenso wenig „Schuld“ in diesem Kontext. Es gibt nach meiner Überzeugung für jede Krankheit eine seelische Entsprechung, das ja. Die unterliegt aber nicht dem so genannten freien Willen, das wäre ja zu schön, wir bräuchten nur unsere „falsche“ Lebensführung korrigieren, und zack, alle gesund.

    Meine persönliche Verantwortung in diesem Zusammenhang beschränkt sich darauf, auf körperlich/seelisch/geistiger Ebene alles zu tun oder auch zu unterlassen, um mich in Richtung Heilung zu bewegen. Mich von meinem Gott führen zu lassen dabei, mein Ego zurückzustellen. Jede Mühe oder Richtungsänderung ist kein Garant für „Erfolg“, wenn meine höhere Macht anderes im Sinn hat.

    Sei herzlich gegrüßt.

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    • Lieber Reiner,
      ob es für jede Erkrankung eine seelische Entsprechung gibt weiß ich nicht. Was mich persönlich anbelangt, so kann ich jedoch sagen, dass die Erkrankung auf jeden Fall die „Initiation“ dafür war , mich auf den Weg zu mir selbst zu machen, mich darum zu bemühen mehr und mehr bei mir selbst anzukommen, mich selbst (und damit auch andere) zu lieben. Schlussendlich ist diese „Ankunft bei mir selbst“ auch das was für mich Heilung bedeutet und hierfür, um diesen Weg zu beschreiten, unternehme ich alles was in meinen Möglichkeiten steht, und was nicht in meiner Macht steht versuche ich abzugeben, los zu lassen. Allerdings ist dies ja auch ein lebenslanger Prozess und ja, es ist eine Anmaßung meine Schritte (oder die eines anderen) dorthin als richtig oder falsch zu bezeichnen, insbesondere deshalb weil wir ja alle gewissermaßen auf dem Weg dorthin sind. Auch wenn es vielleicht einen jeweilig anderen Anlass dafür geben mag….Wichtig erscheint für mich in diesem Zusammenhang auch noch zu sein, dass „Heil Sein“ nicht zwangsläufig mit der Freiheit von Schmerz oder aber mit körperlicher Unversehrtheit gleich zu setzen ist. Ich glaube man kann sogar auch „heil“ an Krankheit sterben… und gleichzeitig kann man seelisch komplett zerbrochen und körperlich nahezu gesund bis ins hohe Alter leben. Ich glaube wir müssen schlicht damit aufhören, Schmerz, Leid und Krankheit als Makel zu betrachten, dann wird es vielleicht möglich sein, dass wir uns alle in Augenhöhe, von Mensch zu Mensch begegnen können. Das ist es , was ich persönlich mir von ganzem Herzen wünsche.
      In diesem Sinne , fühl Dich herzlichst gegrüßt
      Daniela

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    • Darf ich fragen weshalb, lieber Reiner?..freue mich, dass meine Worte nachdenklich machen. So kann man ins Gespräch kommen. Ich denke, das ist es was wir brauchen . Eben diesen Gedankenaustausch, damit wir einander auch wirklich verstehen können. Alles Liebe Dir, muss jetzt gleich erstmal los , meinen Vater zum Rheumatologen fahren. Bis bald, Daniela

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      • Guten Morgen, liebe Daniela.

        Wenn ich meine Eltern schaue, (85 & 84 Jahre alt) … sie sind sehr alt geworden, mit den jetzt Alters-typischen Gebrechen. Heil in ihrer Seele sind und waren sie nie, als Kriegs-traumatisierte Kinder.

        Selbst bin ich für mich auch zwiegespalten, was mein eigenes Heil-sein angeht. Körperlich geht es mir relativ gut, ich achte, was ich zu mir nehme und bewege mich viel. Meine Lebensschwierigkeiten resultieren im Kern aus einer zum Stillstand gebrachten Suchterkrankung sowie unter anderen aus einer noch älteren Angststörung, die mir seit Anfang des Jahres wieder massiv zu schaffen macht, deretwegen ich auch bis vor kurzem für gut 6 Wochen in beruflicher Rehabilitation war. Nach der „aktiven“ Zeit meiner Sucht (Alkohol & Cannabis) kam ich mir selbst dito allmählich näher, nachdem ich meine Entwicklung als Mensch ab dem 16ten Lebensjahr für knapp 22 Jahre zumindest verzögert, wenn nicht unterbrochen habe.

        Du hast recht, mit sich in Frieden zu sein bedeutet nicht die Abwesenheit von Schmerz und Leid, es gibt keinen Automatismus diesbezüglich, das ist es, was mir durch deine Worte wieder einmal bewusst wird.

        „Makel“ – manchmal wünsche ich mir, doch lieber eine für alle gut sichtbare und erkennbare körperliche Erkrankung zu haben, anstelle dieser meiner psychischen Schwierigkeiten. Das wahrhaftig „Kranke“ an dieser Denke ist der stete Blick nach außen, auf die anderen Menschen. Was sie von mir denken und reden … eine Fokussierung, die im übrigen Teil meines Krankheitsbildes ist.

        Wir werden nicht gefragt, ob uns dieses oder jenes recht ist, nein.

        Liebe Grüße, Reiner

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    • Lieber Reiner,
      hab ganz herzlichen Dank für Deine so offenen Worte. Deine Zeilen haben mich sehr berührt insbesondere deshalb, weil auch in meiner Herkunfts-Familie (wie in so vielen Familien) die Nachwehen des Krieges mehr als deutlich zu spüren sind.
      Ja, Heilung ist ein „großes Wort“ und schlussendlich lässt sich unterm Strich vermutlich nur festhalten, dass wir „heil“ allesamt nicht sind, keiner von uns….wir sind eben einfach nur Menschen und dadurch eben auch verletzlich. Jeder für sich, auf seine eigene Weise, eben an den unterschiedlichsten Stellen.
      Ich glaube wenn es uns gelingen würde diese Verwundbarkeit im anderen immer und zu jeder Zeit zu erkennen, dann würde dies zu ganz viel Frieden führen…..(innen wie außen) aber dies scheint mir einfach ein Ideal zu sein, das keiner von uns wohl je wird in vollem Umfang verwirklichen können.
      Deinen Wunsch danach, man möge Deine Erkrankung doch äußerlich sehen können, kann ich übrigens mehr als gut nachvollziehen. Wie sehr habe ich mir immer gewünscht, man möge den „Wolf“ doch erkennen können, man möge sehen, wie viel Leid er mir zufügt. Ich habe mir immer vorgestellt, dass das Umfeld dann weniger grausam, ja verständnisvoller wäre.
      In der Zwischenzeit denke ich sehr oft, dass es wohl gar nicht so sehr von der „Sichtbarkeit“ der Erkrankung abhängt, sondern vielmehr davon, ob das Umfeld verstehen MÖCHTE , wie es sich anfühlt mit eben genau dieser Erkrankung zu leben….und ganz oft habe ich den Eindruck, dass eben nur diejenigen wirklich verstehen können, die durch eigene Erfahrung wissen, was es bedeutet Leid zu erleben.
      Schlussendlich bleibt uns wohl nur das Gespräch. Wir brauchen den Mut transparent zu machen woran es mangelt, benötigen die Kraft um darüber sprechen zu können, wie wir unsere Situation erleben und was wir brauchen. Und wir brauchen den Mut an denen vorüber zu ziehen, die nicht verstehen wollen, im Vertrauen darauf, dass wir diejenigen die unserer Seele gut tun schon finden werden und der Rest das Leben ganz von sich aus (für jeden von uns) bereit stellen wird.
      In diesem Sinne, ich freu mich Dir hier auf dem Blog begegnen zu dürfen
      fühl Dich herzlichst gegrüßt
      Daniela

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  2. Folgerichtig läge dann die Schuld bei den Eltern/der Mutter, wenn ein zuvor lebensfrohes zwölfjähriges Mädchen an Lupus erkrankt. Vielen Dank auch.
    Ich warne ja schon länger vor dieser Richtung, die jede Erkrankung auf falsche Lebensführung, falsche Lebenseinstellung zurückführt. Nein, wir können uns auch durch beste Vorsorge nicht gegen Krankheit absichern.
    Wie krank müsste ich denn sein bei allem, was ich schon durchhabe?
    Es braucht Hilfe und Verständnis, nicht Schuldzuweisungen. So ein Dummgesülze!

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    • Ja, eine unfassbare Vorstellung für alle Eltern die kranke Kinder haben. Meine Tochter hat auch hohe ANA und die Erkrankung schwebt quasi über uns wie ein Damoklesschwert. Natürlich versuche ich jegliche seelische Verletzung meiner Tochter zu vermeiden, so gut ich es eben kann. Aber um ihrer Seele Willen und (wenn möglich) nicht aus der Angst heraus , sie könne krank werden. Das wäre eher hinderlich. Aber in einer Gesellschaft, welche die Betroffenen tatsächlich oftmals dafür verantwortlich gemacht werden , dass sie krank sind, ist es manchmal gar nicht so einfach sich von dieser Angst, selbst Schuld an allem Übel zu sein, zu befreien. Ja, wir brauchen tatsächlich eine Art Paradigmenwechsel. Wir müssen wieder weg von einer Sichtweise die suggeriert alle sei möglich, machbar und heilbar, hin zu einem Menschenbild das Krankheit , Sterben und Tod integriert. Nur dann wird es möglich sein, auch gegenseitige Unterstützung wieder gesellschaftsfähig zu machen. Alles Liebe Dir, bis bald Daniela

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  3. Liebe Daniela,

    vielen Dank für diesen Beitrag!
    Ich glaube wirklich, dass viele Erkrankte solche oder ähnliche Bemerkungen schon gehört haben und „irgendwie“ lernen mussten/müssen, damit umzugehen.

    Gerade, wenn es seltene Erkrankungen sind, über die die meisten Gesunden gar keine Informationen haben.
    Und du hast sicher recht, es sind Reaktionen, die oft aus Hilflosigkeit gezeigt werden. Doch gibt es auch immer mehr Erkrankte, die erleben müssen, dass es sich bei solchen Gesprächen schlicht um Oberflächlichkeit und mangelndes Interesse handelt.
    In der heutigen Zeit will man sich oft nicht mit kranken Menschen, die für die leistungsorientierte Gesellschaft „nutzlos“ geworden sind bzw. eine Belastung darstellen, beschäftigen.

    Meine Liebe, ich wünsche dir noch eine gute restliche Woche, pass´ auf dich auf!

    Ich schicke dir eine herzliche Umarmung von Nord nach Süd
    Milka

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    • Ja, liebe Milka…Genau so ist es !!!! Und eben dieses Desinteresse war es letztlich, was mir in den aller schlimmsten Zeiten am meisten zu schaffen gemacht hat, was mich zusätzlich zur Erkrankung so tief verletzt hat. Und ich bin ihm so oft begegnet, angefangen von der Ärzteschaft bis hin zur Nachbarschaft, zum Teil auch in der Familie und an der Arbeitsstelle… Heute kann ich erkennen, dass sich hinter diesem Desinteresse eben oftmals auch Hilflosigkeit und Unwissenheit verborgen hat. Gerade in der Nachbarschaft ist mir das sehr deutlich geworden. Betroffenheit wurde mir erst gezeigt, als bekannt wurde, dass ich eine Chemo -Therapie brauche….Zu diesem Zeitpunkt war es für mich aber bereits schon zu spät, wir habe die Brücken am alten Wohnort abgebrochen und haben unser Haus verkauft. Ich möchte an dieser Stelle keine Schuldzuweisungen machen, denn mir ist klar, dass keine Absicht zu verletzen vorhanden war und dass unterm Strich viele verschiedene Faktoren für das Dilemma verantwortlich waren, welches für mich aus der Situation heraus entstanden ist. Aber wichtig bleibt für mich, aus dieser Erfahrung heraus, dass Themen wie Krankheit, Sterben und der Tod wieder „gesellschaftsfähig“ gemacht werden. Dass gedanklich zurück geholt wird, dass auch mit der fortschrittlichsten Medizin nicht alles machbar und leistbar ist und dass es nach wie vor viele Erkrankungen gibt, die weder verstanden, noch behandelbar und noch weniger heilbar sind.
      Liebe Grüße und bis bald , Daniela

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