Vom Leben,Sterben und vom Zusammenhalt im Rudel

KiwiundSocke
Socke, Kiwi und ich

Wer mich kennt, der weiß es. Ich liebe meine beiden Hunde, mein kleines aber feines Rudel. Kiwi,  meinen großen, sensiblen „Schisser“, der jeden auch noch so geringen Hauch einer Stimmungsänderung in mir wahrnimmt und entsprechend darauf reagiert. Und Socke unseren Familienhund. Unseren kleinen Wirbelwind, welcher draufgängerischer nicht sein könnte. Der mit seiner nahezu unbezwingbaren Lebensenergie, geradezu alles über den Haufen rennt, was bei 3 nicht auf den Bäumen ist.

Ja, es waren mitunter meine Tiere die mir geholfen haben, die vergangenen Jahre, mit all ihren Schrecken, zu überstehen. Sie waren mein Ankerpunkt, das Stückchen Lebensqualität,  das mir in diesem ganzen Chaos, welches die Erkrankung mit sich brachte, noch übrig geblieben war. Meine Zuflucht vor diesem „unbekannten Monstrum“, das da in mir gewütet hat. Mein Rettungsring in all dem Unheil, das mir der „unbekannte Wolf“ im Laufe der Jahre beschert hat. Ohne meine Tiere hätte ich die lange Zeit, der durch die Erkrankung erzwungenen Isolation, der körperlichen und seelischen Schmerzen wohl kaum überlebt. Ja, sie sind mir wirklich mehr als heilig…

Und dennoch gibt es Tage, an denen ich mich  frage, ob es angesichts meiner miserablen körperlichen Verfassung, richtig war,  Socke, unseren kleinen „Kamikazen“, in unserem Rudel aufzunehmen.

Es sind die Tage, an denen ich z.B. vollkommen im Eimer vom Einkaufen zurück kehre. Nicht wissend woher ich jetzt auch noch die Energie beziehen soll meine „Beute“ im Kühlschrank zu verstauen. Die Tage an denen ich dann auch noch, zu allem Übel, anstelle einer ordentlich aufgeräumten Küche, ein Desaster an weiträumig verstreuten Kuchenresten auf dem Küchenboden vorfinde. Wer mag das wohl wieder gewesen sein?!

Oder aber jene Tage, an denen ich nach meinem morgendlichen Spaziergang nicht entspannt, sondern vielmehr in Schweiß gebadet nach Hause komme. Völlig am Ende, weil es Socke – in einem unbedachten Augenblick – wieder einmal gelungen ist, Kiwi zur „Straftat“ anzustiften. Ihn dazu zu bringen, gemeinsam mit ihm, wie eine Horde wild gewordener Hyänen, einem Vogel hinter her zu jagen. Meinen Kiwi, den in der Zwischenzeit doch eigentlich so gemächlich gewordenen älteren Herrn!!!

Ja,  es sind die Tage, an denen ich nach  solchen oder ähnlichen  Aktionen in weit aufgerissene Hundeaugen blicke, von denen mir die einen „ Ich bekenne mich schuldig und gelobe Besserung“ und die anderen „Wozu die ganze Aufregung, war etwas???!!!“ zu sagen scheinen.

An solchen Tagen erinnere ich mich an die Zeit, in der wir Socke zu uns geholt haben. Daran, welche Motivation mich in meinem tiefsten Inneren dazu veranlasst hat, diesen kleinen Chaoten zu uns zu nehmen. Es war die Zeit  in der wir Kapper, das Kaninchen meiner Tochter, haben gehen lassen müssen. „Kappski“, von allen liebevoll genannt, war eigentlich gar kein richtiges Kaninchen. Eigentlich glich er eher einem Hund, oder zumindest lebte er wie ein solcher bei uns. Stubenrein im Wohnzimmer, mit meiner Tochter zärtlich verbunden, eigensinnig und äußert wehrhaft, wenn ihm etwas nicht in den Kram gepasst hat. Ein echtes Familienmitglied eben.

Und dann war da der Tag an dem wir ihn, trotz langer, liebevoller Pflege, auf seine letzte Reise begleiten mussten. Noch heute habe ich tiefen Respekt davor, dass meine Tochter sich ganz bewusst dafür entschieden hat, ihren geliebten Freund bis hin zur Regenbogenbrücke zu begleiten, seinem Tod direkt in die Augen zu schauen. Nie werde ich ihn vergessen, den Anblick wie sie ihn in ihren Armen gehalten hat, zärtlich seinen Körper streichelnd, so lange bis er eingeschlafen war, bis alles Leben aus ihm gewichen war.

Da war er also, der Tod. Kalt, hart und vor allen Dingen ganz real, so hat er uns in diesem Moment getroffen. Nein, es war nicht nur Kappskis Tod, der Tod unseres geliebten Vierbeiners. Es war die Realität des Todes schlechthin, die uns in diesem Augenblick mit voller Wucht ergriffen hat. Es war der tiefe, dieser endgültige Abschiedsschmerz, von dem wir beide intuitiv ganz genau wussten, dass er weit über Kapskis Tod hinausgehen würde, wenn ich nicht bald, die so dringend notwendige Hilfe erhalten würde.

Nur noch einen Wunsch gab es in den darauf folgenden Wochen für mich. Den Wunsch den Tod wieder aus meinem, ja aus unserem Leben zu verbannen. Ihn von mir und von meiner Familie fern zu halten. Meine Tochter vor dieser, seiner Realität zu bewahren, ihr diese nicht zumuten zu müssen. Mich schützend vor sie stellen zu können,  ihr die Angst vor dieser schrecklichen, tief im Inneren zutiefst befürchteten, Erfahrung nehmen zu können.  Ja dies und nichts anderes habe ich mir in dieser Zeit so sehr gewünscht. Einfach unerträglich war mir der Gedanke, der Tod könne noch weiter in unsere Familie eindringen, uns allesamt auseinander reisen.

Und so kam also Socke zu uns, seine Anwesenheit aus dem tiefen Wunsch geboren den drohenden Tod mit Hilfe seiner Lebendigkeit aus unserem Leben verdrängen zu können.

Was für ein unglaublicher Trugschluss!!!!

Rückblickend war dies wohl alles andere als eine weise Entscheidung.  Denn was ich zum damaligen Zeitpunkt wohl nicht wahrhaben wollte oder vielmehr nicht wahrhaben konnte war dies , dass mein körperlicher Zustand bereits derartig schlecht war, dass ich durch ein „Mehr“ an Lebendigkeit in unserem Hause schlichtweg überfordert war.

Noch heute ereilt mich manchmal das schlechte Gewissen, wenn ich über meine damalige Entscheidung nachdenke, denn schlussendlich habe ich unserer kleinen Fellnase, da wohl eine Aufgabe zuteil werden lassen, deren Erfüllung sie (selbst unter den allergrößten Anstrengungen) nicht gewachsen sein konnte.

Und ja, ich gebe es zu. Die Entscheidung die ich damals getroffen habe, als ich Socke zu uns geholt habe, hätte für alle Beteiligten gründlich „in die Hose“ gehen können. Denn nicht nur einmal hat seine Lebendigkeit, die ich der Gegenwart des Todes so trotzig entgegen halten wollte, das dünne Eis  auf dem wir uns als Familie damals ohnehin schon bewegt haben, zum Einbrechen gebracht.

Aber:  Ertrunken sind wir NICHT!!! Wir haben gekämpft, um unser kleines bisschen Leben. Immer wieder haben wir es geschafft zumindest ein kleines bisschen Boden unter die Füße zu bekommen, auch wenn wir oftmals dem Ertrinken mehr als Nahe waren.

Ja, und wenn ich heute sehe wie Socke genüsslich eingekuschelt im Schosse meines Mannes liegt, dann bin ich mehr als ausgesöhnt mit meiner Entscheidung und mit seiner Anwesenheit. So unschuldig liegt er da,  sich so völlig hingebend.  So voller Vertrauen, leise und zufrieden vor sich hin „schnorchelnd“, dass ich ganz, ganz weit drin in meinem Herzen zutiefst berührt bin.

Und ja, es mag wohl sein, dass Socke KEIN  „wohlerzogener“ Hund ist. Und an manchen Tagen hätte er sich vielleicht ein Quäntchen mehr an Aufmerksamkeit verdient, als ich in der Lage bin ihm zu geben.  Aber eines weiß ich gewiss: “ Er ist ein glücklicher Hund, denn er ist ein geliebter Hund“

 

 

 

 

 

3 Comments on “Vom Leben,Sterben und vom Zusammenhalt im Rudel

  1. Ein ganz wunderbarer ehrlicher Artikel. Nele hatte auch einen Hund, Apollo, den meistens wir betreuen mussten. Näherte sich ein neuerlicher Schub, so lag er vor ihr und ließ sie nicht aus den Augen. Er war vier Jare alt, als Nele starb. Sein Tod, zehn Jahre später, hat uns alle sehr geschmerzt. An seinem letzten Tag waren alle ungerufen bei ihm, obwohl sie nicht mehr zu Hause wohnten. Obwohl auch wir nicht immer in der Lage waren, ihm ganz gerecht zu werden, habeen wir ihm alle Liebe gegeben, derer wir fähig waren.

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    • Oh, jetzt habe ich gerade eben erst Deinen Kommentar gesehen. Vielen Dank, liebe Caro!!! Ja, Hunde sind ganz wunderbare, sensible Weggefährten und sie haben unsere Liebe mehr als verdient. Das mit dem „gerecht werden“ ist so eine Sache. Ja, ich denke immer wieder, dass ich sicherlich mehr mit meinen Hundis machen könnte, dass sie mehr Aufmerksamkeit verdient hätten, mehr Training, bessere Erziehung u.s.w…..aber schlussendlich weiß ich, dass sie bei uns nicht den schlechtesten Platz erwischt haben. Und letztlich sind wir alle eben auch nur Menschen. Ich bin mir sicher, dass Apollo, das beste Plätzchen auf Erden bei Euch hatte und so wie er von Euch geliebt wurde, werden Kiwi und Socke von uns geliebt. Das ist die Hauptsache!!!!! Ganz liebe Grüße aus der Ferne, Daniela

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  2. Pingback: Vom Leben,Sterben und vom Zusammenhalt im Rudel — Come Together – romanticker-carolinecaspar-autorenblog.com

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